Nachruf auf Manfred Schubert (1937-2011)


Im Juni vor fünfzehn Jahren schrieb ich einen ersten Brief an Manfred Schubert mit der Frage, "könnten Sie sich vorstellen, ein CD-Programm mit Ihnen wichtigen Werken zusammenzustellen, mit dem Sie sich einerseits als Komponist charakteristisch vorgestellt sehen und andererseits im Hörer nach einer ersten Begegnung der Wunsch nach mehrmaligem Wiederhören geweckt werden kann." Die beigefügte Liste enthielt die Aufnahmen fast aller seiner wichtigen Werke. Seine Antwort ließ einige Monate auf sich warten, dann aber ein klar gegliederter und ausführlicher Brief, eine Art musikgeschichtlicher Exkurs in die Werkstatt des Manfred Schubert. Und erst durch diese Replik wurde mir bewusst, dass ich ihn mit meiner Frage einem Dilemma ausgesetzt hatte: wie sollte ein Komponist, der seit mehr als drei Jahrzehnten eine beachtliche und dennoch überschaubare Werkreihe geschaffen hatte, das Programm für eine CD festlegen können, ohne zugleich an einigen wesentlichen Stücken Verrat zu üben? So sind denn auch im Laufe der Jahre vier Veröffentlichungen entstanden, eine fünfte Platte sollte rechtzeitig zu seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag fertig sein...

Schubert, 1937 in Berlin geboren und zeitlebens Berliner geblieben, war Schüler von Rudolf
Wagner-Régeny und ist bis 1990 über fast drei Jahrzehnte maßstabsetzender Musikkritiker bei der Berliner Zeitung gewesen. Er konnte glänzend formulieren, schriftlich wie mündlich, und er wusste unglaublich viel, so dass jedes Gespräch, jede Begegnung mit ihm zu einem lehrreichen und geistigen Erlebnis geriet. In der verknappten Form der Lyrik äusserte er sich in den letzten Jahren wiederholt, oft in Gestalt von Sonetten. Sein Gedichtzyklus
Die zweite Romantik wurde von ihm zu Liedern geformt und bei den Konzerten anlässlich seines siebzigsten Geburtstags im Konzerthaus Berlin und im Rathaus Potsdam von Siegfried Lorenz uraufgeführt.

Nach der Veröffentlichung von Schuberts erster und einziger Sinfonie (1999 bei Hastedt), schrieb der Rezensent im 'American Record Guide': "This is adventurous music for adventurous listeners; it is not for the faint of heart." Abenteuerliche Musik für kühne Hörer also, und für Verzagte ungeeignet; nicht jedes seiner Stücke ließe sich so charakterisieren, denn auch das Spielerische, die blitzende Ironie, ja das Heitere bergen seine Werke. Heldentum ist für ihre Rezeption also nicht erforderlich, immer jedoch wache, mitdenkende Aufmerksamkeit, die dann reich belohnt wird.

Sein Opus Magnum, Ökumenisches TeDeum, für Solisten, mehrere Chöre und Orchester ist vor fünf Jahren vollendet worden und seither hat der Komponist in vielen Anläufen versucht, Dirigenten und Ensembles für eine Uraufführung zu gewinnen. Dies ist ihm leider nicht mehr gelungen.

Am 10. Juni 2011 ist der Komponist, Musikkritiker und Dirigent Manfred Schubert im Alter von vierundsiebzig Jahren in Berlin gestorben.

Wolfgang Smitmans (11.06.2011)

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